Künstlerhaus Bethanien

Ontophonics

Gyuchul Moon

Eröffnung

17.07.2025

19 Uhr

Ausstellung

18.07.2025 –

14.09.2025

Mi–So: 14–19 Uhr

Courtesy Gyuchul Moon

Ontophonics erforscht das klangliche Potenzial von Physarum polycephalum, einem einzelligen Schleimpilz, bekannt für seine  verteilte Intelligenz und sein anpassungsfähiges Verhalten trotz fehlendem zentralen Nervensystem. Mithilfe eigens entworfener Platinen werden die Bewegungen und bioelektrischen Signale des Organismus in Echtzeit in Klang übersetzt. Ontophonics stellt ein neues Modell der Klanginstallation vor – eines, das auf Ko-Agency, Nähe und Emergenz basiert. Sie vermittelt zwischen dem unvorhersehbaren Wachstum eines lebenden Organismus und der geordneten Welt von Schaltkreisen und Klangerzeugung.

Die verwendeten Platinen sind präzise gestaltete Plattformen mit geometrisch angelegten, leitfähigen Zonen, die das Wachstum des Organismus lenken und zugleich Mehrpunktmessungen ermöglichen. Verbindet oder umgeht Physarum physisch bestimmte Knoten, schließt es Stromkreise und verändert die elektrische Leitfähigkeit –Spannungsfluktuationen entstehen. Diese werden durch analoge Schaltungen verstärkt, gefiltert und über modulare Synthese in hörbare Klangsignale übersetzt. 
Die Platine fungiert dabei nicht bloß als Kontrollinstrument, sondern auch als Lebensraum, Habitat, in dem der Organismus lebt, empfindet und sich artikuliert.

Jedes der vier Module besteht aus Acrylplatten, Edelstahlstangen und Schaltkreisen auf einem industriellen Trägermaterial – starr, präzise und deterministisch. Im Gegensatz dazu bewegt sich Physarum sanft und unvorhersehbar, breitet sich langsam aus und gestaltet das Terrain neu. Während es wächst, verändert es die Verbindungen, erzeugt Klang als Bewegung und verwandelt den Raum in eine sich stetig verwandelnde Umgebung. In diesem dynamischen Wechselspiel wird Klang nicht nur zu einem Signal, sondern zu einer Geste – zur hörbaren Spur eines Zusammenlebens und räumlicher Aushandlung. So entsteht eine Zone der Koexistenz, in der Funktionalität und Reaktionsfähigkeit ineinandergreifen.

Der Titel Ontophonics – eine Wortneuschöpfung aus „Ontologie“ und „Phonetik“ – verweist auf den zentralen Gedankengang: Klang ist hier nicht bloß Effekt, sondern eine Möglichkeit, materielle und zeitliche Dimensionen erfahrbar zu machen. Jede Konfiguration bildet einen singulären, irreduziblen Ausdruck, geformt durch das sich verändernde Zusammenspiel von Organismus, Kreislauf und Raum. Sie wiederholt sich nicht, sondern verwandelt sich durch relationale Spannung und zeitliche Differenz. Anstatt Klang in einem vorgegebenen Format zu präsentieren, entfaltet Ontophonics eine Ökologie der Praxis – in der Klänge zu einem intermediären Raum zwischen Kräften werden: dem Organismus und Objekt, Wachstum und Widerstand, Nähe und Verzögerung. Der Klang ist nicht programmiert, nicht vorbestimmt– er entsteht in situ aus Interaktionen zwischen dem Organismus und seiner Umgebung.

In diesem Sinne geht es Ontophonics nicht darum, Leben durch Klang zu repräsentieren, sondern Klang am Prozess des Lebens teilhaben zu lassen – als Reaktion auf subtile Gesten des Organismus, als Echo seiner Navigationsstrategien, als Erweiterung seiner Präsenz über das Sichtbare hinaus. Klang wird hier nicht vom Organismus komponiert, sondern mit ihm. Er entsteht aus seiner Bewegung, vergeht mit seinem Rückzug, und schwingt im Zwischenraum von Signal und Stille, Präsenz und Abwesenheit. In diesem ko-emergenten Feld wird der Ausstellungsraum zu einem Möglichkeitraum: ein lebendiges, von Kontingenz geprägtes System, in dem die Komposition nicht aufgezwungen, sondern ständig verhandelt wird – eine lebendige Spur, die das biologische Leben verkörpert, Körper, Zeit, Klang und Wahrnehmung zu formen.

Ausstellungsdokumentation

©Thomas Rusch

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