Mit All of those records; tell me, bee – dem zweiten Kapitel des Projekts Becoming B, kuratiert von Marie-Sophie Dorsch, richtet Krys Huba den Blick nach innen: Ausgehend von der lyrischen Figur bee nähert dey sich Fragen nach queerer Identität und Zugehörigkeiten innerhalb normativer Gesellschaftsstrukturen an. bee selbst materialisiert sich in der Ausstellung in Spuren, die sich in Malereien, poetischen Textfragmenten und skulpturalen Objekten fortschreiben. Durch Bild und Text hindurch entstehen zwischen den Werken vielfältige Verbindungslinien, die sich nicht festlegen, sondern in immer neuen Formationen zusammenfügen.
Während einer Residency im Künstlerhaus Bethanien hat Krys Huba das unmittelbare städtische Umfeld der Institution in den Blick genommen – ein Nebeneinander urbaner Subjekte in der Gleichzeitigkeit ihrer Geschichten, Geräusche und Bewegungen. Aber nicht alle Stimmen werden in diesem Geflecht gleichermaßen wahrgenommen. Dieses fragile urbane Gewebe erweitert die Krys Huba und integriert die große Glasfront des Künstlerhauses Bethanien, die so zu einer Membran wird, die das Außen – den Stadtraum – und das Innere miteinander verbindet. So öffnet dey die Institution für verschiedene Ausdrucksformen und Repräsentationen – schafft aber zugleich auch über die räumliche Setzung der Werke intime Rückzugsorte.
Mittels von der Decke herabhängenden, mit Tusche und Seidenmalfarbe bearbeiteten, transparenten Stoffbahnen weicht Krys Huba im Inneren feste architektonische Konturen auf. In der flüchtigen Materialität des Stoffes beginnen die Grenzen des Raumes zu verschwimmen, sodass er vielmehr als fluides, veränderliches Konstrukt erfahrbar wird, das starre Kategorien infrage stellt und normative Raumordnungen dekonstruiert. In dieses bewegliche Gefüge bettet Krys Huba neue Malereien ein, auf denen Körper in fragmentierter Form dargestellt sind. Oberkörper erscheinen als isolierte Körperpartien, ohne dabei eine konkrete Person oder eindeutige Identität zu repräsentieren. Muskeln, Formen, ebenso wie Narben treten teils markanter, teils zarter, malerisch hervor und scheinen auf der Leinwand sanft ineinander zu fließen.
Krys Huba führt in der Ausstellung zudem die künstlerische Auseinandersetzung mit ausrangierten Ikea Billy-Regalen weiter, die dey bereits im Kontext einer Einzelpräsentation bei Mouches Volantes in Köln begonnen hat. Dey zerlegt die standardisierten Formate der Regale in einzelne Fragmente, graviert Texte und Skizzen in die Sperrholzoberflächen, um anschließend Abgüsse dieser Einschreibungen in Latex vorzunehmen. Die Objekte und ihre Negativabdrücke werden von dey in paraventähnlicher Anordnung zusammengefügt und der biegsame, weiche Latex in durchscheinenden orange- und gelb Tönen bricht die strenge Normierung der Regalkonstruktionen auf. So entstehen poröse, durchlässige Konstruktionen, durch die sich die Besuchenden nicht nur hindurch-, sondern auch hineinbewegen – in das Zwischen, in das, was flüchtig bleibt. Immer wieder platziert Krys Huba kleine Fund- und Erinnerungsstücke in die Regalkonstruktionen und schafft auf diese Weise ein vielschichtiges Geflecht aus Objekt, Erinnerung und Narration.
Eine Verschränkung, die sich ebenfalls in den poetischen Texten von Krys Huba wiederfindet: Diese oszillieren zwischen dokumentierten Erinnerungen und imaginierten Erzählungen. Sie entstehen häufig parallel zum künstlerischen Arbeitsprozess und eröffnen somit zusätzliche Bedeutungsebenen. Während der Vorbereitung der Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien spielte ferner das gemeinsame Lesen und Bearbeiten poetischer wie theoretischer Texte eine zentrale Rolle. Textfragmente wurden zwischen Künstler*in und Kuratorin geteilt und Sprache wurde so zu einem weiteren Material – sie erzeugt Resonanzen, lässt Leerstellen sprechen und zieht Verbindungen zwischen Bild, Körper und Narration. Während der Ausstellungsdauer kollaboriert Krys Huba mit Performer*innen, Künstler*innen und Musiker*innen, um performative Momente zu schaffen, in denen sowohl die Texte, als auch die künstlerischen Werke aktiviert werden.
All of those records; tell me, bee entfaltet sich als ein fragmentarisches Zusammenspiel aus Ambivalenzen und Spuren subjektiver wie kollektiver Erfahrungen. Krys Huba denkt in diesem Sinne über Räume nach – über das Potential, das sie jenseits von institutionellen Strukturen, Körpernormen und zeitlichen Begrenzungen eröffnen können.
Die Ausstellung wurde gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.