Die Künstlerin und Filmemacherin Myriam Jacob-Allard arbeitet mit Video, Performance, Installation und Kunsthandwerk. In ihrer künstlerischen Praxis setzt sie sich mit den visuellen und klanglichen Codierungen populärkultureller Narrative auseinander und untersucht deren Einschreibungen in kollektive und persönliche Erinnerung. Besonders die Québec-typische Countrymusik, Westernklischees und volkstümliche Liedtraditionen dienen ihr als Ausgangspunkt für eine kritische, teils humorvolle Auseinandersetzung mit matrilinearen Erzählweisen, kultureller Weitergabe und den Brüchen in familiären und gesellschaftlichen Archiven.
Durch Re-Interpretation, Aneignung und Dekonstruktion entwickelt sie eine visuelle und akustische „Oral Herstory“, in der sich persönliche Biografien mit kollektiven Imaginationen überlagern. Ihre Arbeiten verbinden Nostalgie mit subversiven Eingriffen und hinterfragen traditionelle Rollenbilder sowie die Mechanismen kultureller Erinnerung. Mit einem feinen Gespür für die poetische Kraft populärer Ästhetiken reflektieren ihre Arbeiten Fragen von Identität, Geschlecht und Tradierung und entwerfen poetisch-subversive Gegenbilder zu hegemonialen Erzählformen.
In ihren jüngsten Filmen Les immortelles und Les quatre récits d’Alice entfaltet sich eine tiefere Auseinandersetzung mit Erinnerung und Identität. Les immortelles ist ein Video-Collage in vier Kapiteln, das sich um Mutter-Tochter-Beziehungen und die Frage der Unsterblichkeit dreht. Unter Verwendung von synchronisierten Vampirfilmen und privaten Filmaufnahmen thematisiert der Film die Verschiebung und Verlängerung von Leben und Erinnerung durch die Beziehungen zwischen den Generationen.
Les quatre récits d’Alice wiederum fokussiert sich auf eine von Jacob-Allards Großmutter überlieferte Geschichte eines Sturms, der sie als Kind „durch die Luft schleuderte“. Der Film vereint verschiedene Versionen dieser Erzählung, die Jacob-Allard über zehn Jahre hinweg aufnahm, und thematisiert die Veränderung der Erinnerung im Laufe der Zeit. Durch die Kombination von Amateuraufnahmen und einem Greenscreen-Wetterbericht, den Jacob-Allard lip-synct, wird die Subjektivität der Erinnerung und ihre Transformation über Generationen hinweg sichtbar.
In beiden Filmen verknüpft Jacob-Allard persönliche Erzählungen mit kulturellen Symbolen und Medienbildern und schafft so eine Reflexion über die Konstruktion von Identität, die Weitergabe von Erzählungen und die subjektive Natur von Erinnerung.