Künstlerhaus Bethanien

Divine Fatigue

Uri Zamir

Eröffnung

17.07.2025

19 Uhr

Ausstellung

18.07.2025 –

14.09.2025

Mi–So: 14–19 Uhr

Eintritt frei

Courtesy Uri Zamir

Uri Zamir erschafft atmosphärische Inszenierungen, die ebenso vertraut wie irritierend wirken und die Grenzen zwischen Realität und Imagination verwischen – ein Ansatz, der stark von seinem Hintergrund im Theater geprägt ist. Für seine Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien hat er eine neue Werkreihe entwickelt, in der er Möbelstücke aus dunklem, schwerem Holz, Schränke, Kommoden und Uhrengehäuse, mit fein gearbeiteten Reliefs kombiniert. Diese Möbel sind nicht nur Träger der Bilder, sie prägen ihre Wahrnehmung ganz wesentlich mit. Anders als klassische Rahmen ordnen sie die Reliefs in einen privaten, wohnlichen Kontext ein: Sie wirken wie Erbstücke, vertraute Gebrauchsgegenstände und Statussymbole zugleich. 

Die Reliefs zeigen Szenen, die zunächst vertraut erscheinen, jedoch subtil und humorvoll gebrochen werden: Statt idealisierter, kindlicher Barockengel begegnen uns korpulente, ältere Männerfiguren. Ihre unbeholfene Anmut und fleischliche Präsenz erzeugen eine entwaffnende Mischung aus Ehrfurcht und Absurdität.

Diese Engel sind nicht ausgesandt worden – sie sind nicht vom Himmel herabgestiegen, um Botschaften oder Erlösung zu bringen. Sie sind einfach geblieben. Diese Figuren ähneln dem schwachen Echo eines Mythos, den die Welt nicht mehr braucht – und doch ist er da: beharrlich, lebendig, gegenwärtig. Kein tragischer Untergang, sondern ein leises Verweilen im Zwischenraum. In dieser gealterten Fantasie zeigen sich Schönheit, Absurdität und zarte Verletzlichkeit. Die Engel verkörpern eine fast explizite politische Trägheit – als würde ihr bloßes Nicht-Handeln, ihr Nicht-Retten, ihr Nicht-Erheben zu einem stillen Protest gegen das Ethos von Produktivität, Erfolg und Heldentum. Sie leisten keinen Widerstand, fügen sich aber auch nicht.

Wenn Bilder, nicht mehr in ihrer Blüte stehen, aber darüber hinaus fortbestehen, wenn sie in einer Welt verweilen, die sie nicht mehr braucht, beginnen sie zu altern. Sie verlieren ihre Aura, die Fantasie selbst wird weich und müde. Die Bilder sind ermüdet vom Ideal, das sie tragen sollten, erschöpft von der Aufgabe, Erhabenes zu verkörpern. Es ist eine Erschöpfung, die aus einem symbolischen Ordnungssystem erwächst, das seine Gültigkeit verloren hat und nun einfach nur noch existieren möchte – ohne zu erheben, zu führen oder zu versprechen. 

Uri Zamirs Arbeiten unterwandern nicht nur die Macht tradierter Bildwelten, sie machen ihre Fragilität sichtbar. Seine Engel stehen für das Nachleben des Bildes – für eine symbolische Ordnung, die müde geworden ist, aber weiter existiert. Indem Zamir die Figur des Engels – traditionell ein Symbol für Reinheit, Schutz und Erlösung – durch greifbare, alternde Männerkörper ersetzt, entlarvt er die Brüchigkeit heroischer und autoritärer Ideale. Diese Figuren verweigern sich der Logik von Effizienz, Führungsanspruch und männlicher Stärke. In ihrer unbeirrbaren Gegenwart liegt ein stiller, beharrlicher Widerstand – kein kämpferischer Gestus, sondern ein leises Plädoyer für das Recht auf Bedeutungsverlust, Ambivalenz und das Weiterbestehen jenseits von Glorie und Produktivitätszwang. Ein Bild, das nicht mehr erhebt, nicht mehr erlöst, aber dennoch da ist – erschöpft, entwaffnend und auf radikale Weise gegenwärtig.

 

Diese Themen spiegeln sich auch in seiner Videoperformance Crater’s Belly, die zwischen Mythos, Ritual und spekulativer Fiktion oszilliert. Im Zentrum steht eine schamanisch anmutende Figur – eine hybride Gestalt zwischen Mensch, Mutation und Erinnerung –, deren bloße Präsenz die Zeit aufzulösen scheint. Aus seinem Körper strömt ein langer, obertonreicher Klang, eine meditative Frequenz, die sich durch Raum, Landschaft und Zeit zieht. Der Schamane durchwandert scheinbar ziellos eine kraterartige Landschaft, zugleich archaisch und außerirdisch, als sei sie weder an Ort noch an Zeit gebunden. In dieser Umgebung trifft er auf eine Gruppe von Menschen, die sich diesem Klang hingeben – ihre Körper beginnen, auf die Schwingungen zu reagieren, als entfalte sich darin eine archaische Form von Kommunikation. Zwischen ihnen entsteht eine wortlose Verbindung, ein Moment kollektiver Empfänglichkeit.

Die Videoperformance verzichtet auf narrative Klarheit und lädt stattdessen zu einer sinnlichen, offenen Wahrnehmung ein. Klang wird hier nicht als Information, sondern als Erfahrung verstanden – als Impuls, der Körper durchdringt, Atmosphären verändert und innere Bewegungen auslöst. Die Arbeit entwickelt mit langsamen Kameraeinstellungen, intensiven Close-ups eine meditative Bildsprache, die jenseits festgelegter Bedeutungen operiert. Die schamanische Figur bleibt bewusst rätselhaft – weder Heiler noch Prophet, weder Mensch noch Mythos. Vielleicht ist sie ein Fragment aus einer anderen Zeit, ein Echo einer Zukunft oder ein Symbol für einen Zustand des Übergangs. 

Die Offenheit von Crater’s Belly verweigert eine feste Verortung – geografisch ebenso wie ideologisch – lädt so dazu ein, sich auf Resonanz, Irritation und Unsicherheit einzulassen. So entsteht ein Möglichkeitsraum für Begegnung, der über Sprache hinausgeht und sich dem schnellen Zugriff entzieht.

Uri Zamirs Arbeiten schaffen sinnliche Erfahrungsräume, in denen das Vertraute zugleich gebrochen und neu verhandelt wird. Sie sind Orte der Ambivalenz und der stillen Präsenz, an denen festgefügte Bedeutungen ins Wanken geraten und sich auflösen. Indem er historische Symbole entmachtet und Klang als körperliche Erfahrung ins Zentrum rückt, öffnet Zamir eine Bühne für Zwischenzustände – zwischen Produktivität und Erschöpfung, Mythos und Gegenwart, Bild und Klang. Diese Räume sind weder klar definiert noch vollständig fassbar, sondern bleiben offen für Resonanz, Irritation und poetische Imagination. In ihrem ruhigen Widerstand gegen schnelle Deutungen und Verwertbarkeit eröffnen Uri Zamirs Arbeiten einen poetischen Zwischenraum, der zum Verweilen, Nachdenken und Neuerfinden einlädt.

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