Künstlerhaus Bethanien

Meow

Peng Yi-Hang

Eröffnung

23.10.2025

19 Uhr

Ausstellung

24.10.2025 –

14.12.2025

Mi–So: 14–19 Uhr

Eintritt frei

© Peng Yi-Hang

Im Rahmen der Praxis von Peng Yi-Hang entpuppt sich fotografische Beobachtung als Untersuchung zu Grenzlinien – zwischen Sichtbarkeit und Verbergen, Intimität und Distanz, Ordnung und Spontaneität. Im Laufe der vergangenen fünfzehn Jahre hat er einen Ansatz zur Fotografie verfolgt, in dem sie nicht bloßes Mittel der Repräsentation ist, sondern zu einem reflektiven Medium wird, in dem Bilder weniger das betreffen, was gesehen wird, als vielmehr den Akt des Sehens als solchen.

Die Serie Meow ist während Peng Yi-Hangs Aufenthalt in Berlin entstanden und besteht aus Porträts von Menschen, die Leopardenmuster tragen – Unbekannte, welche der Künstler auf Bürgersteigen, Märkten, in U-Bahnhöfen oder vor Cafés getroffen hat. Alle Fotografie beginnt mit einem Augenblick des Erkennens, mit einem Bild, das den Fluss des Alltagslebens unterbricht. Peng Yi-Hang nähert sich, erklärt sein Projekt und bittet um das Einverständnis. Was darauf folgt – manchmal ein kurzes Lächeln, bisweilen ein Austausch von Geschichten – wird zur Grundlage der Aufnahme.

Die so entstandenen Porträts sind auffällig klar und zurückgenommen. Die Figuren heben sich mit stiller Würde gegen die unscharfe Geometrie der Berliner Architektur ab. Das Objektiv vor dem Auge des Künstlers schafft eine Wechselseitigkeit des Blicks: weder Überwachung noch Performance, sondern Präsenz. Wie ein rhythmischer Puls der Serie wiederholt sich der Leopardendruck auf Jacken, Schals und Kleidern. Es ist zugleich Zeichen und Tarnung, Ausdruck von Individualität, aber zugleich ein Echo des kollektiven Stoffs, aus dem die Stadt ist. Mit der bildlichen Wiederholung macht Peng Yi-Hang aus dem Muster eine Metapher, einen Hinweis darauf, dass Identität vielleicht am lebendigsten dort existiert, wo Unterschiede sich aneinander annähern.

Licht spielt in Meow beinahe eine eigene Charakterrolle. Anders als die gezielte, inszenierte Ausleuchtung in Peng Yi-Hangs früheren Nachtaufnahmen ist das Licht hier atmosphärisch, demokratisch und inklusiv. Es berührt jede teilnehmende Person mit derselben Zärtlichkeit. Die Palette erweitert sich über die monochrome Präzision und schließt die Wärme von Haut, Oberflächenstruktur und Stoff ein. Doch die übergreifende Klarheit bleibt davon unangetastet: Nichts wird geschönt, nicht wird dramatisiert. Jedes Bild hält das Gleichgewicht zwischen Offenheit und Zurückhaltung, zwischen Respekt und Annäherung. Diese bildliche Verhaltenheit definiert die ethische Dimension von  Peng Yi-Hangs Praxis – eine stille Disziplin des Betrachtens, das nicht Besitz ergreift.

Die Serie bietet ebenso ein Porträt der Stadt Berlin. Die Metropole wird häufig als cool und selbstgenügsam beschrieben, offenbart jedoch in Meow ihren subtileren Pulsschlag. Unter der Oberfläche des Individualismus erklingt ein Unterton von Wärme, Humor und Vertrauen. Einige der Teilnehmenden tragen Vintage Kleidung, die über Generationen vererbt wurde, andere nehmen das Leopardenmuster als ein Symbol für Verspieltheit und Trotz. Durch derlei Details   spricht die Arbeit von Kontinuität und Wandel, davon, die Stil und Identität durch Zeit, Gender und soziale Klasse migrieren. In Peng Yi-Hangs Berlin wird Kleidung zu einer gemeinsamen Sprache, zu einem Mittel, durch das einander fremde Menschen einen kurzen Augenblick lang für einander sichtbar werden.

Im Grunde stellt Meow die Frage, wie Sichtbarkeit Intimität in der urbanen Anonymität fördern kann. Die Fotografien handeln weder von Mode noch vom Spektakel der Differenz, sondern drehen sich um die fragile Situation des Aufeinandertreffens. Der flüchtige Akt des Innehaltens, des Stillstehens und des Gesehen Werdens verwandelt die Straße vorübergehend in einen Ort der Kenntnisnahme. Die Bilder dokumentieren keine Performance, sondern Präsenz – die Wärme eines Augenblicks in der Schwebe, ehe die Bewegung wieder einsetzt. Fotografie fungiert hier nicht als getreue Aufzeichnung, sondern als eine Beziehung: eine Praxis, sich der Welt geduldig, neugierig und respektvoll zu nähern. Die Kamera wird zu einem Mediator der Distanz, einem Mittel der Beobachtung ohne Besitz.

Letzten Endes regt Meow an, dass Fotografie ein Akt der Empathie sein kann. Die Serie erinnert uns daran, dass Sehen nicht passiv ist, sondern wechselseitig – eine Form des Kontakts, eine Art und Weise die Leben anzuerkennen, die unseren Raum mit uns teilen. Die Mauer zwischen Beobachter und Beobachtetem, die in Peng Yi-Hangs früheren Arbeiten so präsent war, fängt hier an sich aufzulösen. Was bleibt ist die feinsinnige Schwingung der Begegnung: die Erkenntnis, dass der Abstand etwas Verbindendes sein kann. Durch Meow führt der Künstler die Fotografie zurück zu ihrer menschlichsten Form: dem Augenblick, in dem Sehen Begegnung wird und die ganze Stadt – für eine Sekunde nur – atmet, als sei sie ein einziger Mensch.

Text: Chun-Chi Wang

Suche

Range - slider
19742025

SUCHE EINGRENZEN

Checkbox Posttypes