Freunden der historischen Aufführungspraxis präsentieren wir mit Richard Graysons neuestem Werk eine möglicherweise schmerzvolle musikalische Herausforderung. Schließlich hat sich der britische Künstler an einem kulturellen Heiligtum zu schaffen gemacht und legt eine Country- und Western-Neubearbeitung des Händelschen „Messias“ vor. Grayson interessiert sich dabei vor allem für das Libretto, das eine messianische Bibelinterpretation propagiert, die im Kontext der Country-Bearbeitung wie eine Anspielung auf konservative amerikanische Politiktraditionen erscheint.
Herausgelöst aus der musikalischen Struktur der Händel-Oper scheint der Text des Engländers Charles Jennens plötzlich von gänzlich anderen sozialen, politischen und religiösen Umständen zu erzähleen. Die Musik evoziert nun Klischees der weißen Südstaaten-Kultur und kommentiert so jüngste Verbindungen konservativer Ideologie und republikanischer Gesinnungstreue mit einem neuen religiösen Eiferertum in den USA. Vor dem Hintergrund aktueller Weltuntergangshysterien hinterfragt Graysons so die beunruhigende Annäherung zwischen politischem Establishment und extremkonservativen religiösen Gruppierungen, die zunehmend Einfluss auf die Politik gewinnen.