Künstlerhaus Bethanien

Geschichte

Das ehemalige Bethanien-Gebäude am Mariannenplatz. Foto: unbekannt

Das Künstlerhaus Bethanien hat eine bewegte Geschichte. Gegründet 1974 in einem alten Diakonissen-Krankenhaus am Kreuzberger Mariannenplatz, war es über Jahrzehnte ein zentraler Ort für die alternative Kunstszene Berlins. Seine Geschichte ist eng verknüpft mit den politischen und sozialen Kämpfen der Stadt.

 

Das Künstlerhaus Bethanien am Mariannenplatz
(1974 – 2010)

Ursprünglich als „Central-Diakonissenanstalt und Krankenhaus Bethanien“ im 19. Jahrhundert erbaut, war das Gebäude am Mariannenplatz ein Symbol für die medizinische Versorgung und Wohltätigkeit der damaligen Zeit. Der Name „Bethanien“ verweist auf den biblischen Ort, an dem Jesus Lazarus auferweckte – ein Zeichen von Erneuerung und Veränderung, das den spirituellen Geist des Hauses widerspiegelt.

Als das nicht mehr genutzte Krankenhaus 1974 abgerissen werden sollte, entbrannte ein leidenschaftlicher Widerstand von politischen und kulturellen Akteuren. Dieser Widerstand erregte öffentliche Aufmerksamkeit und führte zu einem entscheidenden Wendepunkt: das Gebäude sollte erhalten bleiben. Mit dem Engagement von Dr. Michael Haerdter, dem Gründer des Künstlerhauses Bethanien, entstand 1974 die Vision eines kreativen Ortes, der weit über seine ursprüngliche Funktion hinauswachsen sollte. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Künstlerhaus zu einem international anerkannten Raum für avantgardistische Kunstprojekte und einen bedeutenden Treffpunkt für Künstler*innen aller Disziplinen.

Von Tanz und Theater bis hin zu Musik, bildender Kunst und Architektur – das Künstlerhaus Bethanien war in den ersten Jahren ein wahrer Hotspot für experimentelle Kunstformen. Besonders die Internationalen Regieseminare für Film und Theater, die bis 2001 stattfanden, trugen maßgeblich zur Förderung des globalen Kulturaustauschs bei.
2005 führte die Besetzung eines Flügels des historischen Gebäudes zu einer Diskussion über die Zukunft des im Bezirkseigentum befindlichen Hauses. Das historische Gebäude blieb jedoch ein lebendiger Ort und wandelte sich zu einem kulturellen Zentrum – heute als Teil des „Kunstquartiers Bethanien“.

Sascha Waltz, Dialoge, 1993, Foto: David Brandt

Vom Mariannenplatz zur „Lichtfabrik“ (2010 bis heute)

Im Jahr 2010, unter der Leitung von Christoph Tannert, fand das Künstlerhaus Bethanien eine neue Heimat in der „Lichtfabrik“ – einem ehemaligen Gewerbehof in der Kohlfurter Straße. Der Standort, im kreativen Kiez zwischen Kreuzberg und Neukölln gelegen, könnte nicht besser passen: Eingebettet in eine dynamische, multikulturelle Nachbarschaft, bietet er ideale Bedingungen für künstlerische Zusammenarbeit und Innovation.

Die Geschichte des Gebäudes selbst reicht weit zurück: 1912 von den Brüdern Felix und Leo Israel errichtet, diente die „Lichtfabrik“ einst als modernes Fabrik- und Verwaltungsgebäude für ihre expandierende Leuchtenproduktion. Mit Platz für rund 800 Arbeiter*innen und 175 Angestellte spiegelte sie schon damals die typische Kreuzberger Verbindung von Arbeiten und Leben wider. 1927 wurde die Israel-Frister AG als „Vereinigte Fabriken für Beleuchtungskörper“ gegründet. Felix Israel war einer der Vorstände, verließ aber 1933 nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Deutschland und wurde durch diese 1939 offiziell ausgebürgert. Eine Frister AG/GmbH existierte noch bis 1965, das weitere Schicksal der Gebrüder Israel und ihrer Familien ist hingegen nicht dokumentiert.


Im Jahr 2008 wurde der Komplex von der Nicolas Berggruen Holdings GmbH erworben. Der Gebäudekomplex umfasst insgesamt etwa 10.000 Quadratmeter, die im Hinblick auf die Errichtung eines Kunst- und Kulturstandorts unter Wahrung des historischen Gesamtbilds saniert und seitdem den Namen „Lichtfabrik“ im Gedenken an Felix und Leo Israel und zur Erinnerung an die vormals hier angesiedelten Gewerke trägt. Neben dem Künstlerhaus Bethanien haben sich mehrere Büros aus der Kreativindustrie, Ateliers, Kleingewerbe und Galerien hier angesiedelt.

Für die Künstler*innen und Residents des Künstlerhauses Bethanien bietet dieser Standort eine moderne, optimierte Infrastruktur: eine größere Anzahl von modernen Ateliers, erweiterte Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen und eine verbesserte Werkstatt- und Produktionssituation. 

Janus! Janus! Door! Door!, Performance mit MINQ, Ania Nowak, Melanie Jame Wolf, Ausstellungseröffnung, Melanie Jame Wolf, A stage she’s going through (Becoming B), 2025, Foto: Galya Feierman

Ausblick: Erneuerung und Reflexion

Im Jahr 2024 feierte das Künstlerhaus Bethanien sein 50-jähriges Bestehen – fünf Jahrzehnte voll künstlerischer Experimente, internationalem Austausch und kultureller Wirkung. Im selben Jahr ging der langjährige künstlerische Leiter Christoph Tannert nach vielen Jahren engagierter Führung in den Ruhestand. Die Leitung übernahm die Kuratorin und Kulturproduzentin Antje Weitzel, die mit dem umfassenden Projekt Becoming B – einer Serie von Ausstellungen, Performances, Lesungen und Veranstaltungen – einen vielstimmigen, kollaborativen Reflexionsprozess ins Leben rief.

Becoming B widmet sich der Frage, was ein Künstlerhaus heute im 21. Jahrhundert sein kann und sein sollte. Dabei rückt es den Namen, die Identität und die Aufgaben des Hauses in den Mittelpunkt einer offenen Auseinandersetzung. In Zusammenarbeit mit Künstlerinnen, Kuratorinnen und Kulturschaffenden sowie im Dialog mit der Nachbarschaft und der breiteren Öffentlichkeit entsteht ein Raum für kritisches Denken und vielfältige Perspektiven. Das Projekt markiert nicht nur einen Moment der Rückschau, sondern eröffnet neue Möglichkeiten für die Zukunft des Künstlerhauses Bethanien. Es unterstreicht das anhaltende Engagement der Institution für Inklusion, Wandel und das gemeinsame Aushandeln dessen, was ein Künstlerhaus heute sein kann – und werden möchte.

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